© Bernhard Becker

© Bernhard Becker

Vor ein paar Jahren war er plötzlich da – der Wunsch, an Weihnachten mal etwas ganz anderes zu machen. In die Berge zu fahren, um dort in einer gemütlichen Hütte zusammen mit meinem damaligen Freund die Feiertage zu verbringen. Gleichzeitig hat mich das schlechte Gewissen geplagt, war ich doch gerade dabei, eine Familientradition auf den Kopf zu stellen. „Wie sage ich es nur meinen Eltern?“ – wochenlang habe ich mit mir gekämpft, bis ich meiner Mutter bei einem Telefonat reinen Wein eingeschenkt habe: „Du, in diesem Jahr werde ich an den Feiertagen nicht da sein …“

Als es raus war, haben mich zwei Dinge überrascht:

1.)  Die Reaktion meiner Eltern, die deutlich entspannter waren, als ich es erwartet hatte: Wir haben kurzerhand Weihnachten auf den 4. Advent vorverlegt und ein sehr schönes gemeinsames Wochenende verbracht.

2.)  Die Reaktionen aus meinem Umfeld: Nach einem anfänglichen „Eeecht, Du fährst über die Feiertage weg?!“ kam erstaunlich häufig ein „DAS würde ich ja auch gerne einmal machen.“

Hui, gerade rund um die Feiertage sind wir offensichtlich besonders bereit, die eigenen Bedürfnisse wegzudrücken und uns anzupassen. Schließlich soll es doch bitteschön ein rundum gelungenes Fest werden. Dabei kann es so gut tun, auch einmal neue Wege zu gehen.

Wie stellen Sie sich Ihr ideales Weihnachtsfest vor? Möchten Sie möglicherweise gerne etwas verändern, aber ein hartnäckiges „Das geht ja doch nicht!“ hält Sie zurück? Vielleicht Heiligabend am liebsten daheim feiern? Oder die Geschenkeorgie reduzieren? Oder den Verwandtschaftsmarathon auf einen kurzen Sprint verkürzen?

Die beiden folgenden Gedanken helfen Ihnen, Ihren Plan in die Tat umzusetzen:

Nimm die eigenen Wünsche ernst!

Um des lieben Friedens willen ignorieren wir die eigenen Bedürfnisse schon mal. Die einen, weil sie höflich sind oder auf dem Standpunkt stehen, gewisse Dinge einfach mitmachen zu müssen. Die anderen, weil sie mit dem „Hab-mich-lieb-Gen“ ausgestattet sind … und um jeden Preis die Harmonie aufrechterhalten wollen. Den Menschen um uns herum soll es doch gut gehen. Wenn alle happy sind, sind wir es auch! Oder vielleicht doch nicht? Was gut gemeint ist, kann nach hinten losgehen. Je mehr wir in uns hineinfressen und uns verbiegen, desto größer ist die Gefahr, dass wir früher oder später implodieren oder explodieren. Da reicht dann ein unbedachter Kommentar von Tante Erna … und schwupps ist die Feiertagslaune dahin. Wenn wir allerdings auf unsere innere Stimme hören, die eigenen Wünsche ernst nehmen und mit uns im Reinen sind, wird davon auch unser Umfeld profitieren.

Rede Tacheles!

Manchmal ist es gar nicht einfach, klipp und klar auf den Punkt zu kommen – gerade bei Menschen, die uns nahe stehen. Schließlich wollen wir niemanden verletzen. Deshalb fällt es uns häufig auch so schwer, Grenzen zu ziehen und ein echtes „Nein“ zu formulieren. Was kleine Kinder wunderbar beherrschen (meine zweijährige Nichte Marlene ist da ein wirkliches Vorbild), gestaltet sich im Erwachsenenalter plötzlich schwierig. Sobald es unangenehm wird, sind wir ruckzuck mittendrin in der Schleife aus Rechtfertigungen, Erklärungen oder Ausflüchten. Zugegeben, nicht jeder reagiert so gelassen auf ein offenes Wort wie meine Eltern. Aber dennoch: Auch wenn die Ehrlichkeit im ersten Augenblick manchmal schmerzt, so schätzen es die Menschen trotzdem, wenn sie auf unser Wort zählen können und wissen, wie sie dran sind. Mal ganz davon abgesehen, dass die Leute klare Ansagen eher akzeptieren und deutlich weniger mit Ihnen über das Wieso-Weshalb-Warum diskutieren als bei vagen Wischiwaschi-Formulierungen.

Ein „Nein“, das unmissverständlich, aber trotzdem nicht schroff ist, können Sie übrigens so formulieren:

„Nein, und ich sage Dir auch warum …“

Achtung, hier kommen jetzt keine langatmigen Erklärungen! An dieser Stelle sagen Sie einfach kurz, knapp, knackig und freundlich … die Wahrheit! Denn die ist zwar nicht immer schön, klingt aber in den meisten Fällen besser als die beste Ausrede.

Ein Beispiel:

„Kommt Ihr am ersten Weihnachtsfeiertag wieder zu uns?“

„Nein, wir werden in diesem Jahr zu Hause bleiben, und ich sage Dir auch warum: Nach den turbulenten letzten Monaten brauchen wir einfach ein bisschen Zeit für uns zum Durchschnaufen.“

Bitte formulieren Sie unbedingt positiv und vermeiden Sie die Wörter „nicht“ und „kein“. Dann wird es meistens annehmbarer. Bei der Erklärung: „Wir haben keine Lust schon wieder den halben Feiertag auf der Autobahn zu verbringen!“ hätte Ihr Gegenüber deutlich mehr zu schlucken als bei der ersten Variante.

Und jetzt: nur Mut! Trauen Sie sich, auf den Punkt zu kommen – nicht nur an Weihnachten, sondern auch in den restlichen Monaten des Jahres! Damit machen Sie sich selbst und anderen Menschen das größte Geschenk.

Dieser Beitrag ist Teil der Advents-Blogparade von Petra Schuseil zum Thema „Weniger ist mehr“. Wenn Sie sich weitere Impulse wünschen, wie Sie souverän durch die Vorweihnachtszeit kommen, dann lesen Sie doch hier mit. :-)

PS: Ich freue mich sehr, wenn Sie Ihre Klartext-Momente mit mir teilen und einen Kommentar hinterlassen oder mir eine Mail schreiben (ichwill@andreajoost.de). Unter allen Rückmeldungen bis Sonntagabend werde ich ein Exemplar meines Buches „Mit Worten bewegen: Präsentationen und Reden, die wirklich begeistern“ verlosen.