© Lucy Liu shutterstock

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„Wenn Du souveräner werden willst, dann übe Deinen Vortrag doch zu Hause vor dem Spiegel!“ – Auch wenn sich dieser Tipp für lampenfiebrige Redner hartnäckig hält und mit Sicherheit gut gemeint ist … er funktioniert nicht.

Freilich ist es sinnvoll, die Präsentation vor einem wichtigen Auftritt schon mal laut und im Stehen zu üben. Denn:

  • Reden lernt man nur durchs Reden: Je öfter Sie Ihre Botschaft formuliert haben, desto leichter wird sie Ihnen über die Lippen gehen. Sie fühlen sich sicherer und strahlen das auch aus.
  • Beim Proben merken Sie ganz schnell, wo es noch hakt: Eine Redewendung, die nicht ganz rund ist. Der Übergang, an dem noch gefeilt werden darf. Das komische Wohin-mit-meinen-Händen-Gefühl. Oder oder oder … Jetzt haben Sie die Chance, nachzubessern, um überzeugend in Ihren Auftritt zu starten.
  • Ein wohlwollend kritischer Blick von außen hilft Ihnen, Wirkungsräuber dingfest zu machen, die Ihnen sonst gar nicht aufgefallen wären. Ganz gleich, ob Sie zum Zappelphilipp neigen oder sich das eine oder andere Äh und Öh eingeschlichen hat. Erst wenn Sie sich dieser Marotten bewusst sind, können Sie sie auch ändern.

Ihr Spiegel ist dafür allerdings nicht der richtige Sparringspartner!

Im besten Fall lenkt er Sie nur ab, im schlimmsten Fall macht er Sie noch nervöser und stellt Ihnen damit sogar ein Bein:

  • Mit dem Spiegel bringen Sie sich in eine völlig unnatürliche Situation. Wo gibt es schon Redeanlässe, bei denen Sie sich von der ersten bis zur letzten Minute selbst anschauen müssen? Das ist Reden unter erschwerten Bedingungen … und macht einen entspannten Auftritt nahezu unmöglich.
  • Sie setzen sich unnötig unter Druck. Während Sie beim Redetraining vor dem Spiegel fast automatisch jede Falte, jedes Pickelchen und jedes Zucken um den Mundwinkel penibel unter die Lupe nehmen, fallen Ihrem Publikum viele Dinge überhaupt nicht auf. Deshalb: Gehen Sie ruhig ein bisschen großzügiger mit sich um!
  • Der Spiegel lenkt Sie ab. Da Sie ständig sowohl mit Ihrem äußeren Erscheinungsbild als auch mit Ihrer Gestik und Mimik konfrontiert sind, ist es verdammt schwer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ihre Botschaft. Aber genau DIE wollen Sie doch wirkungsvoll und überzeugend transportieren?!
  • Selbst als Multitasking-Genie werden Sie auf eine harte Probe gestellt: Reden, beobachten, Wahrnehmungen verarbeiten – und das alles gleichzeitig?! In den meisten Fällen ist das wohl ein hoffnungsloses Unterfangen.

Deshalb: Ja bitte, proben Sie … aber nicht vor dem Spiegel.

Am besten suchen Sie sich einen freiwilligen Testzuhörer in der Familie, im Freundes- oder Kollegenkreis, der Ihnen fundierte Rückmeldung gibt. Dabei unterstützt Sie diese Checkliste zu den wichtigsten Rednerfähigkeiten. (Die Checkliste habe ich ursprünglich entwickelt, damit Sie sich selbst besser einschätzen können. Sie hilft Ihnen aber auch beim Probelauf: Ihr Feedbackgeber weiß, auf was er achten sollte … und Sie haben aussagekräftige Fakten in der Hand.)

Falls niemand greifbar ist, schnappen Sie sich einfach Ihre Videokamera oder Ihr Smartphone und zeichnen Sie Ihre Präsentation auf. So können Sie den Vortrag ungestört durchziehen, sich das Ganze im Anschluss anschauen, um dann in Ruhe zu entscheiden, an welchen Schrauben Sie noch drehen möchten. Mit dem nötigen Abstand und deutlich mehr Tiefgang als vor dem Spiegel.