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Vielleicht geht es Ihnen wie einer Freundin von mir? Als wir kürzlich zusammen einen Kaffee trinken, sagt sie: „Weißt Du, im Moment bin ich echt nicht gut drauf. Jeder will was von mir. Da kommt an einem Tag alles zusammen. Aber wenn ich ‚Nein’ sage, habe ich das Gefühl, dass das keinen interessiert. Dann heißt es nur ‚Ach komm schon, das geht doch ganz schnell!’ oder ‚Für Dich ist das doch kein Problem!’ …“

Nachdem sie Dampf abgelassen hat, frage ich sie: „Sag mal, hast Du in dieser Deutlichkeit auch mit den Betroffenen gesprochen?“.  „Nicht wirklich!“, schmunzelt sie, „Ich kann das irgendwie nicht!“.

Und damit ist sie nicht allein.

Ein klares Nein gehört mitunter zu den schwierigsten Übungen. Ein „Nein, bis hierhin und nicht weiter!“.

Selbst wenn Sie Tag für Tag Ihren Mann/Ihre Frau stehen, gibt es im beruflichen oder privaten Umfeld immer wieder Situationen, die uns auf die Probe stellen: Denken Sie nur an

  • den Mitarbeiter, der Sie mit einer unangebrachten Forderung überrumpelt,
  • den vereinnahmenden Nachbarn, für den Privatsphäre ein Fremdwort ist,
  • den Kollegen, der gerne die Arbeit auf andere abwälzt,
  • die übergriffe Schwiegermutter oder …

Hoch lebe das Hab-mich-lieb-Gen!

Während kleine Kinder noch ganz wunderbar Tacheles reden (meine Nichte und meine Neffen sind da echte Vorbilder!), werden klare Ansagen mit zunehmendem Alter immer schwieriger:

  • Sie wollen niemanden vor den Kopf stoßen.
  • Sie wollen Konflikte vermeiden, um die Beziehung zu Geschäftspartnern, Familienmitgliedern, Nachbarn oder Freunden nicht aufs Spiel zu setzen.
  • Sie wollen gut dastehen und gemocht werden.

Ausweichen oder Anpassen?

In kniffeligen Situationen kommt es deshalb häufig zu zwei typischen Reaktionen:

  • Sie weichen aus: Sie sagen weder Ja noch Nein und legen sich nicht fest. So haben Sie zwar ein wenig Zeit gewonnen, Ihr Problem ist damit aber nicht aus der Welt. Was bleibt, ist ein permanent schlechtes Gewissen und dieses „Da war doch was“-Gefühl, wenn Sie der entsprechenden Person das nächste Mal über den Weg laufen.
  • Sie passen sich an: Sie sagen Ja, obwohl Sie Nein meinen. Da Sie Ihre eigenen Bedürfnisse ignorieren, fühlt sich dieses Ja jedoch alles andere als gut an. Je mehr Sie nun in sich hineinfressen, desto größer ist die Gefahr, dass es irgendwann zum großen Knall kommt. Sie implodieren oder explodieren … und können sich schließlich zwischen Magengeschwür und Wutanfall entscheiden.

Diese Verhaltensmuster sind menschlich und absolut verständlich, bringen Sie aber nicht weiter. Um wirklich gehört zu werden und Ihre Position deutlich zu machen, ist Klartext gefragt. Ein unmissverständliches Nein, ohne „Herumeierei“.

Klartext reden. Jetzt!

Falls Sie sich dabei ertappen, dass Ihnen das manchmal schwer fällt, helfen Ihnen diese drei Impulse:

  • Klartext braucht Klarheit! Im ersten Schritt geht es nicht um das Nein, sondern um das Ja hinter Ihrem Nein und Ihre Antwort auf die Frage: Was will ich mit dem Nein denn erreichen?

Vielleicht bedeutet es für Sie, dass Sie mehr Zeit für Ihr Hobby oder Ihre Familie haben. Dass Sie sich auf die Schulter klopfen, weil Sie sich als Führungskraft behauptet, in einer fordernden Verhandlung Ihre Unternehmenswerte vertreten haben oder …

Sobald Sie Ihr Ja deutlich vor Augen haben, geht Ihnen das Nein viel leichter über die Lippen. Auch dann, wenn Ihnen möglicherweise Gegenwind um die Ohren bläst.

  • Klartext braucht nur wenige Worte. Nein ist ein ganzer Satz. Dennoch neigen wird gerade bei unangenehmen Themen zum Vielreden und finden uns schwuppdiwupp in völlig unnötigen Diskussionen über das Wieso-Weshalb-Warum wieder. Sie möchten Ihr Nein überzeugend transportieren? Dann kommen Sie am besten direkt auf den Punkt. Freundlich, aber bestimmt.

Zum Beispiel mit folgender Formulierung:
„Nein, und ich sage Dir auch warum …“

Achtung, hier folgen jetzt keine langatmigen Erklärungen. An dieser Stelle sagen Sie in kurzen Worten schlicht und einfach, was Sache ist.

  • Klartext braucht Ehrlichkeit. Denn die Wahrheit ist zwar nicht immer schön, aber in den meisten Fällen besser als die beste Ausrede. Ein Beispiel:

„Hilfst Du mir am Samstag beim Umzug?“
„Nein, und ich sage Dir auch warum: Ich brauche nach einer anstrengenden Woche ein bisschen Zeit zum Luftholen!“

Wenn Sie mögen, geben Sie Ihrem Gegenüber noch eine Alternative an die Hand:
„Ich könnte Dir aber nächste Woche abends zwei oder drei Stunden beim Einräumen helfen.“

Klartext reden bedeutet allerdings nicht, andere zu verletzen. Deshalb formulieren Sie bitte unbedingt positiv und vermeiden Sie die Wörter „nicht“ und „kein“. Da fragt Ihr Mitarbeiter beispielsweise zum wiederholten Mal:

„Kann ich heute Abend frei haben?“
„Nein, und ich sage Dir auch warum: Die Abende gehören zum Einsatzplan. Du konntest in der letzten Zeit schon einige Male schieben. Ich möchte, dass die Schichten fair verteilt sind.“
An einem „Ich möchte keine Extrawurst mehr für Dich!“ hätte der Kollege vermutlich deutlich mehr zu schlucken.

Selbst wenn diese Ehrlichkeit im ersten Augenblick manchmal schmerzt … die Menschen schätzen es, wenn sie wissen, wie sie dran sind. Mit einem offenen Wort tun Sie also nicht nur sich selbst einen Gefallen, sondern auch Ihrem Gegenüber.

Mut tut gut.

Freilich kostet Klartext reden manchmal auch eine ordentliche Portion Mut. Insbesondere bei harten Brocken, wie meinem ersten Chef nach dem Studium: Ich telefoniere gerade mit einem Kunden, als er sich mitten in der Kundenhalle vor mit aufbaut und lostobt: „Halten Sie doch mal endlich den Mund! Und hören Sie auf zu lachen!“ Wie vom Donner gerührt, bringe ich irgendwie das Gespräch zu Ende. Als ich die Fassung halbwegs wiedergewonnen habe, gehe ich zu ihm. Mit einem dicken Kloß im Hals tue ich meinen Unmut kund: „Diese Art der Kommunikation funktioniert so für mich nicht. Das ist bei mir sehr persönlich angekommen!“ Seine Antwort: „Das war auch persönlich gemeint!“ – Damit ist das Gespräch beendet. Nicht wirklich erfolgreich auf den ersten Blick. Auf den zweiten schon. Ab diesem Tag hatte ich meine Ruhe!

Obwohl das ziemlich genau 20 Jahre her ist, fühlt es sich an, als wäre es gestern gewesen – eine Ausnahmesituation, die mir aber eines ganz deutlich gezeigt hat: Ein Nein zu anderen, ist ein Ja zu sich selbst!

Wenn das nicht der beste Grund ist, Klartext zu reden?! Immer und immer wieder.