© lucienwittwer fotolia.com

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Ein Montagmorgen. Ich habe nicht mehr als drei Stunden geschlafen und mir ist schlecht. Akut Liebeskummer geplagt stelle ich mir nur eine Frage: Wie soll ich bitteschön den heutigen Workshop überstehen?

Ob Liebeskummer, ein Streit in der Familie, Sorgen im Job oder … Es gibt immer wieder Tage, an denen wir am liebsten den emotionalen Ausnahmezustand ausrufen und uns die Decke über den Kopf ziehen würden. Stattdessen müssen wir irgendwie „funktionieren“. Schließlich wollen Meetings moderiert, Vorträge gehalten und Seminare gewuppt werden.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Es geht nicht darum, Theater zu spielen oder sich zu verbiegen. Aber manchmal ist einfach voller Einsatz gefragt, auch wenn wir uns gerne zu Hause verkrümeln möchten.

  • Weil Kunden einen guten Job erwarten.
  • Weil unsere Zuhörer verdienen, dass wir unser Bestes geben.
  • Weil der Auftritt für unsere eigene Karriere wichtig ist.

Zugegeben, es ist nicht einfach, auf den Punkt da zu sein, wenn die Emotionen gerade Achterbahn fahren. Schließlich lassen sich negative Gefühle (leider) nicht mal eben so ausschalten. Allerdings sind wir unseren Stimmungen auch nicht völlig hilflos ausgeliefert. Jetzt gilt es, bewusst für uns zu sorgen.

Das folgende 5 Punkte-Survival-Programm hilft Ihnen, sich zu sammeln und auch an grauen Tagen handlungsfähig zu bleiben:

1. Nehmen Sie Ihre Inhalte noch einmal unter die Lupe. Wenn Sie nicht gut drauf sind, konzentrieren Sie sich am besten auf die Themen, in denen Sie absolut sattelfest sind. Gehen Sie dafür Ihre Präsentation noch einmal Schritt für Schritt durch. Eine Folie, die Ihnen nicht wirklich liegt? Eine Anekdote, die noch nicht ganz rund ist? Ein Lacher, bei dem Sie sich nicht 100 Prozent wohlfühlen? – Raus damit! Tage, an denen wir nicht voll da sind, sind nicht für Experimente geeignet.

Ja, Sie dürfen auf Bewährtes setzen. So nehmen Sie Druck aus Ihrem Auftritt und fühlen sich automatisch sicherer. Da Sie ohnehin der Einzige sind, der Ihren Vortrag kennt, wird Ihr Publikum von der abgespeckten Version auch nichts mitbekommen.

2. Schenken Sie Ihrem Körper eine Extraportion Aufmerksamkeit. Wenn uns etwas auf der Seele liegt, sind wir oft im wahrsten Sinne des Wortes geknickt: Dem Körper fehlt Spannung. Dann stehen wir manchmal, ohne es zu merken, leicht geduckt oder die Schultern fallen kraftlos etwas nach vorne.

Gönnen Sie sich ein paar Minuten, in denen Sie sich nur auf sich konzentrieren: Ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft oder das gezielte Entspannungsprogramm gegen Gehirnstürme helfen Ihnen, bei sich anzukommen und sich in Ihrer Haut wohler zu fühlen. Außerdem können Sie Ihren Geist auch ein bisschen austricksen. Sobald Sie sich gut erden, locker stehen und auf eine aufrechte Haltung achten (stellen Sie sich vor, ein unsichtbares Marionettenfädchen zieht Sie am Hinterkopf nach oben), bekommt Ihr Gehirn den Impuls „Es ist alles in Ordnung. Mir geht es gut.“. Sie fühlen sich direkt besser und wirken auch nach außen so.

3. Kümmern Sie sich um Ihre Stimme. Nehmen wir an, Ihnen ist zum Heulen zumute oder Sie sind total sauer. Natürlich können Sie nun gute Miene zum bösen Spiel machen. Aber sobald Sie zu reden beginnen, wird Ihre wahre Gemütslage hörbar sein. Schließlich ist die Stimme der Spiegel unserer Seele. Sie klingen dann zum Beispiel irgendwie verkrampft oder gepresst.

Klar, Ihre Stimmung lässt sich nicht von jetzt auf gleich ändern. Aber Sie können mit einer einfachen Stimmübung den Mund- und Kieferbereich lockern (gerade in Stressmomenten ist der häufig verspannt) und die Voraussetzungen für eine klangvollere Stimme schaffen. Außerdem hilft Ihnen dieser Quickie, möglichst entspannt zu sprechen. So fällt Ihnen das Reden leichter und Sie kommen gleich viel besser bei Ihren Zuhörern an.

4. Vertrauen Sie sich selbst. Möglicherweise haben Sie das Gefühl, dass Ihr komplettes Hirn durch düstere Gedanken aufgefressen wird und alles weg ist, was Sie eigentlich sagen wollten. Keine Sorge, Sie sind der Experte in Ihrem Gebiet und dieses Wissen ist nicht einfach verschwunden, nur weil Sie traurig oder wütend sind!

Wenn Sie sich auf Ihre Botschaft konzentrieren, läuft es meistens von ganz alleine, sobald Sie anfangen zu reden. Das haben wir nicht zuletzt unserem Adrenalinpegel zu verdanken, der durch das Lampenfieber vor einem Auftritt in die Höhe getrieben wird. Auf diesen Hormoncocktail ist gerade in solchen Extremsituationen Verlass: Der Körper stellt alle Antennen auf Aufmerksamkeit und Sie sind ganz automatisch präsent.

5. Verzichten Sie auf Entschuldigungen. „Verzeihung, ich bin heute nicht so fit, weil …“, „Bitte entschuldigen Sie, ich konnte mich nicht so gut vorbereiten, weil …“. Solche Entschuldigungen haben vermutlich nur ein Ziel, nämlich die Erwartungshaltung der Zuhörer nach unten zu schrauben und Ihnen als Redner eine gewisse Last von den Schultern zu nehmen. Damit machen Sie sich klein und beim Gegenüber entsteht schnell das Gefühl, dass man bei Ihnen vielleicht doch nicht so ganz richtig ist.

Deshalb: Sie können all das sagen, aber bitte entschuldigen Sie sich nicht dafür. Ob Sie Ihren Zuhörern letztlich verraten, was mit Ihnen los ist, ist übrigens eine Typfrage und auch von der Situation abhängig. Sie entscheiden, was Ihnen gut tut. Ich selbst lasse sehr persönliche Dinge lieber im privaten Umfeld. Allerdings habe ich auch schon Redner erlebt, die ihre Stimmung offen angesprochen und damit ruckzuck einen tollen Draht zum Publikum aufgebaut haben.

Sie merken, es geht nicht darum, an schlechten Tagen bewusst „einen auf gute Laune“ zu machen und sich damit zusätzlich unter Druck zu setzen. Viel wichtiger ist es, die Situation so zu akzeptieren, wie Sie ist und sich darauf einzulassen.

Sie entscheiden sich, das Beste zu geben, was in diesem „Weltuntergangsmoment“ möglich ist? Wunderbar! Denn das wird oft viel mehr sein, als Sie jemals für möglich gehalten hätten.