Es ist einige Jahre her. Gemeinsam mit einem Kollegen durfte ich einen Vortrag zu einem neuen Produkt unserer Bank halten – vor einem sehr honorigen (ausschließlich männlichen) Publikum aus Vorständen und Verbandspräsidenten.

Kurz vor unserem Auftritt schaue ich an mir herunter. Mein Blick bleibt am linken Oberschenkel kleben: Die Seitennaht meines niegelnagelneuen, schicken Anzugs hat sich auf 20 cm Länge in nichts aufgelöst. Ich gewähre Einblicke, die ich lieber nicht gewähren möchte. „So kann ich unmöglich auf die Bühne“, raune ich meinem Kollegen zu. Seine Antwort ist nur: „Die Hose fällt doch locker. Wenn Du stehst, sieht man nichts.“ Und schon müssen wir nach vorne.

© Rawpixel fotolia.com

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30 Minuten hat unser Vortrag gedauert.
30 Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen.
Aber auch 30 Minuten, die mir rückblickend ein paar Dinge klargemacht haben:

Erkenntnis Nr. 1: Deine Gedanken sind entscheidend!
Natürlich gibt es Augenblicke, in denen wir am liebsten im Erdboden versinken würden. Nur geht das leider nicht. So unangenehm die Situation auch ist, wir müssen weitermachen: Den Vortrag halten, das Gespräch mit dem Chef führen, mit dem Kunden verhandeln …

Wenn wir mit den Gedanken jetzt nur noch um unseren persönlichen Supergau kreisen, schaufeln wir uns damit unser eigenes Grab. Konzentriertes Arbeiten ist so nicht mehr möglich. Jetzt muss der Kopf schnell wieder frei werden. Und das geht nur, wenn wir die anfängliche Schockstarre überwinden. Die Situation also akzeptieren und innerlich den Stier bei den Hörnern packen. Frei nach dem Motto: „Es ist wie’s ist! Machen wir das Beste daraus.“

Unterm Strich entscheiden Sie selbst, was peinlich ist und was nicht. Je gelassener Sie bleiben, desto eher sind Sie wieder handlungsfähig. An meinem persönlichen Horrortag hat mir dabei übrigens eine ordentliche Portion Galgenhumor geholfen: „Es kann nicht mehr schlimmer kommen.“

Erkenntnis Nr. 2: Die Leute bekommen viel weniger mit als Du meinst!
Ich habe damals nur mit meinem Kollegen über meine Misere gesprochen und bin heute noch froh, dass ich sie nicht zu Beginn des Vortrags entschuldigend erwähnt habe. Denn wissen Sie was? Es hat niemand etwas gemerkt … weder beim Vortrag noch beim anschließenden Essen. (Was mir viele Jahre später auch einer der Teilnehmer bestätigt hat, als ich ihn konkret danach gefragt habe).

Was immer Ihnen also Unangenehmes passiert, bitte richten Sie nicht das Spotlight auf Ihr Missgeschick. Denn wie Ihr Publikum reagiert, hängt ganz stark davon ab, wie Sie selbst mit der Situation umgehen. Wenn Sie bei einem verschütteten Glas Wasser auf der Bühne zur Drama-Queen mutieren, werden die Zuhörer viel eher hingucken als wenn Sie locker bleiben und einfach weitermachen. Falls es sich gar nicht vermeiden lässt, genügt ein kurzer Kommentar oder eine freundliche Entschuldigung ohne großes „Gedöns“. Ansonsten setzen Sie am besten auf ein charmantes Pokerface.

Ihr Gegenüber bekommt doch einmal etwas mit? Machen Sie sich deshalb nicht verrückt. Kleine Fehler oder Missgeschicke sind menschlich. So kann Ihnen zum Beispiel ein Versprecher echte Sympathiepunkte bringen und Ihre Präsentation sogar auflockern. Wenn Sie es schaffen, gemeinsam mit dem Publikum über Ihren Fauxpas zu schmunzeln, zeigen Sie, dass Sie Humor haben und über den Dingen stehen.

Erkenntnis Nr. 3: Sei für den Notfall gerüstet!
Kaputte Reißverschlüsse, abgebrochene Absätze, „geplatzte“ Hosen … diese Zwischenfälle passieren immer genau dann, wenn man sie am wenigsten braucht. Gut, wenn Sie dafür gewappnet sind. Deshalb gehört für mich seit diesem Tag zum Beispiel ein kleines Nähset in die Handtasche, um mir im Fall der Fälle aus der Patsche helfen zu können. :-) Sie haben „handarbeitstechnisch“ zwei linke Hände? Auch mit einem Streifen Klebeband lässt sich ein aufgelöster Hosensaum vorübergehend „reparieren“.

Bei wichtigen Veranstaltungen und Auftritten auf der großen Bühne lohnt es sich außerdem, Ersatzkleidung einzupacken. So gehen Sie auf Nummer sicher und brauchen keine Angst vor textilen Missgeschicken zu haben.

Vielleicht kümmern Sie sich im Vorfeld aber auch um ein Ersatz-Notebook, um bei technischen Notfällen nicht in die Bredouille zu kommen oder verzichten bei Auftritten konsequent auf Sprudelwasser, damit die Kohlensäure nicht plötzlich mit Ihnen spricht. Sie entscheiden, was sinnvoll ist und Ihnen ein gutes Gefühl gibt.

Übrigens, so peinlich manche Momente auch sind, sie haben ein Gutes: Ist erst einmal ein bisschen Zeit vergangen, können wir in der Regel darüber schmunzeln. Und Sie haben eine neue Geschichte, mit der sich vielleicht sogar Ihr nächster Vortrag aufpeppen lässt.