Das Rednerpult und ich: In diesem Leben werden wir wohl keine Freunde mehr, verschmähe ich es doch schon seit Jahren rigoros. Heute möchte ich Sie ermuntern, ebenfalls einen großen Bogen um diese Dinger zu machen. Schließlich wollen Sie ja bei Ihren Auftritten präsent wirken und einen guten Draht zum Publikum aufbauen – mit einem Pult ist das ein schwieriges Unterfangen. Denn:
- Es drängt Sie an den Bühnenrand: Wenn Sie nicht gerade im Plenarsaal des Bundestags präsentieren, sind die meisten Pulte auf der linken oder rechten Seite der Bühne aufgebaut. So können Sie nicht im Mittelpunkt stehen. Wenn Ihnen dann noch Eiche rustikal oder ein üppiger Blumenschmuck die Show stehlen – herzlichen Glückwunsch!
- Es steht zwischen Ihnen und dem Publikum: Okay, manchmal sind Sie auf der großen Bühne vielleicht ganz froh, wenn Sie sich ein bisschen verstecken können. Aber bitte denken Sie daran: Selbst das luftigste Rednerpult ist wie eine Mauer, die Sie vor Ihrer Zuhörerschaft abschirmt. Das lässt Sie automatisch distanziert und unnahbar wirken. Nicht die beste Voraussetzung, um schnell einen guten Kontakt zu den Zuhörern zu bekommen.
- Es wirkt steif und altbacken: Sobald Sie hinter einem Pult sprechen, bekommt Ihr Auftritt etwas Formelles. Viele Zuhörer verbinden mit diesem Szenario direkt trockene, langweilige und nicht enden wollende Monologe. Auch wenn Sie selbst ein lebhafter Redner sind: Um zu punkten, müssen Sie jetzt erst einmal gegen dieses Vorurteil in den Köpfen Ihrer Gegenüber ankämpfen. Wollen Sie sich diese Hürde wirklich antun?
- Es raubt Ihnen Bewegungsfreiheit: Stehen Sie erst einmal hinter dem Pult und dem damit verbundenen Mikrofon, gibt es kein Entrinnen. Ein paar Schritte zur Seite oder nach vorne, eine Zeichnung am Flipchart, selbst der Blick nach hinten auf die Folie – Fehlanzeige! Ist doch der Ton sofort „weg“ und die Zuhörer können Sie nicht mehr richtig hören. Derart festgetackert bringen Sie sich allerdings um Ihre Lebendigkeit. Schließlich gehen uns die Worte immer dann am besten über die Lippen, wenn wir uns auch auf der Bühne möglichst natürlich bewegen.
- Es nimmt Ihnen Größe: Kleinere Redner verschwinden schon mal hinter dem Pult und werden gar nicht richtig wahrgenommen. Aber auch bei (normal)großen Referenten ist die aufrechte, präsente Haltung schnell dahin. Zu groß ist die Verlockung, sich am Pult festzuhalten. Schwups hängen die Schultern nach unten. Abgesehen davon, dass sich mancher Redner bücken muss, um ins schlecht eingestellte Mikrofon zu sprechen.
- Es verführt zum Ablesen: Freilich gibt es Sicherheit, wenn Sie das Manuskript direkt vor sich liegen haben. Allerdings besteht nun auch die Gefahr, dass Sie daran kleben bleiben und nicht mehr frei sprechen. Das wirkt nicht nur hölzern, sondern schränkt auch den Blickkontakt mit Ihren Zuhörern enorm ein. Eine gute Verbindung zum Publikum lässt sich so nur schwer aufbauen.
Wenn das mal keine guten Gründe sind, dem Rednerpult „auf Nimmerwiedersehen“ zu sagen! :-)
Ohne Schutzmauer auftreten
Stellen Sie sich lieber in die Mitte der Bühne und machen Sie sich im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar – in Ihrer ganzen Größe. So sorgen Sie für den einen oder anderen Überraschungseffekt (wenn man Sie bislang nur hinter dem Pult erlebt hat) und zeigen Ihrer Zuhörerschaft:
- Ich traue mich, Euch direkt gegenüberzutreten.
- Ich lasse mich auf Euch ein.
- Ich bin auf Augenhöhe.
- Ich will MIT Euch reden.
Wohin nun aber mit Ihren ganzen Unterlagen? Ein Bistrotisch eignet sich prima, um Ihr Notebook, das Manuskript und ein Glas Wasser zu „parken“. Wenn Sie sich dann links oder rechts neben dem Tisch stellen, haben Sie eine wunderbare Ablagefläche, ohne unnötige Barriere zu Ihrem Publikum.
Sie würden ja das Rednerpult gerne links liegen lassen, aber die anderen Redner vor Ihnen nutzen es? Sie sind sich nicht sicher, ob Sie wirklich aus der Reihe tanzen können? Sie können! Schließlich ist das Ihr Auftritt … und der soll gut werden. Dafür dürfen Sie sich auch Ihre eigene Bühne schaffen.