© Gitte Härter

© Gitte Härter

Immer wieder erlebe ich Redner, die auf der Bühne ganz anders sprechen als im „normalen Leben“. Sobald sie vor ihrem Publikum stehen, kontrollieren sie sich, um so perfekt und eloquent wie nur irgendwie möglich rüberzukommen. Von jetzt auf gleich drücken sie sich ganz gewählt aus, versuchen, ihren Dialekt zu vertuschen oder geben wohl formulierte, auswendig gelernte Inhalte wieder. Entspannt sieht anders aus … hoch lebe der Seriositätsvorhang!

Ertappen Sie sich auch manchmal dabei, dass Sie vor Publikum in den „Ich-bin-professionell-Präsentationsmodus“ schalten? Bitte entspannen Sie sich – und lassen Sie das! Denn abgesehen davon, dass Sie sich damit gehörig unter Druck setzen, wirkt so eine gewollt geschliffene Sprache schnell hölzern und erzeugt automatisch Distanz zu Ihren Zuhörern. Sie riskieren, dass diese früher oder später abschalten.

Trauen Sie sich, mit Ihrem Publikum zu plaudern!

Sie möchten Ihre Teilnehmer mitreißen und mit einem erfrischenden Vortrag punkten? Das gelingt Ihnen am besten, wenn Sie möglichst natürlich reden. Hören Sie auf, sich zu verbiegen und sprechen Sie bitte so, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist und wie Sie sich auch mit Ihren Kollegen und Freuden im kleinen Kreis unterhalten.

Falls Sie jetzt denken: Aber das kann ich doch auf der Bühne nicht bringen? Das ist doch nicht professionell? – Doch, Sie können … und das hat viele Vorteile! Der persönliche Umgangston sorgt nämlich dafür, dass Sie viel schneller eine Brücke zu Ihrem Publikum bauen: Ihre Zuhörer bekommen ein besseres Gefühl dafür, mit wem Sie es zu tun haben, hören lieber hin und vertrauen Ihnen eher. Ganz abgesehen davon, dass Sie beim Plaudern automatisch einige Dinge richtig machen, die direkt mehr Leben in Ihre Sprache bringen:

  • O-Töne gehen Ihnen leichter über die Lippen: Sobald Sie frei von der Leber weg erzählen, benutzen Sie automatisch häufiger wörtliche Zitate. Statt „Der Chef gab mir seine Zustimmung.“ sagen Sie zum Beispiel: „Der Chef schaute mich an und sagte: ‚Ja, Andrea, so machen wir das!‘“. Aus dem umständlichen „Ich dachte mir, dass das unnötig sei.“ wird ein lockeres „Das braucht doch kein Mensch!“ Und schwupps: Ihre Aussagen wirken viel natürlicher und frischer.
  • Der Fremdwörterwahnsinn reduziert sich von alleine: In Vier-Augen-Gesprächen wird viel seltener aggregiert, implementiert und evaluiert als vor Publikum auf der kleinen oder größeren Bühne. So bitten Sie Ihren Kollegen vermutlich nicht, eine Telefonnummer zu verifizieren, sondern belassen es bei einem deutlich weniger geschwollenen: „Bitte schau doch mal, ob die Telefonnummer richtig ist!“ Diese einfache Sprache tut auch Ihren Auftritten gut!
  • Substantivmonster haben keine Chance: „Es herrscht eine große Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung der Märkte.“ oder „Die Weiterentwicklung des Themas fordert viel Engagement von allen Beteiligten“ – Sätze wie diese entspringen der schriftlichen Sprache und finden sich immer wieder in Präsentationen. Beim Plaudern passiert das nicht! Da sagen Sie: „Wir wissen nicht, wie sich die Märkte weiterentwickeln.“ oder „Bei diesem Thema müssen alle mit anpacken!“ Verben tun Ihrer Sprache gut; auch auf der Bühne.
  • Ihre Stimme klingt viel lebendiger: Wenn Sie sich nicht die ganze Zeit darauf konzentrieren, dass Sie möglichst intelligent rüberkommen oder gar komplizierte Sätze auswendig vortragen, sprechen Sie automatisch deutlich kraftvoller. Ihre Sprachmelodie variiert und wirkt abwechslungsreicher. Man hört Ihnen gerne zu – merkt man doch gleich, dass Sie mit Leib und Seele bei der Sache sind.

Sie sehen, es lohnt sich, auf sich selbst zu vertrauen, die alten, seriösen Sprachmuster ad acta zu legen und loszuplaudern! Falls Ihnen das auf der Bühne erst einmal schwer fällt, hilft es, wenn Sie sich Ihr Publikum greifbarer machen. Dafür stellen Sie sich am besten vor, dass Sie nicht zu 10, 50 oder 100 Leuten sprechen, sondern zu jedem einzeln. So bekommen Sie schnell ein gutes Gespür für einen entspannten Umgangston, mit dem Sie Ihre Zuhörer bei der Stange halten.