„Andrea, was Du uns erzählt hast, war spannend. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Du Dich am liebsten verkrümelt hättest. Du bist ja gar nicht mehr hinter diesem Stuhl hervorgekommen …“, so dass Feedback eines Zuhörers, als ich vor vielen Jahren einen Vortrag zu einem kritischen Bankthema gehalten habe.
Hui, ertappt! Ohne es zu merken, hatte ich mich tatsächlich hinter einer Stuhllehne verschanzt und so versucht, mich zumindest körpersprachlich aus der Affäre zu ziehen.
Gängige „Bühnenverstecke“
Es ist eine völlig menschliche Reaktion: Gerade wenn wir uns nicht richtig wohl in unserer Haut fühlen, neigen wir dazu, uns abzuschirmen. Um uns zu schützen und weniger angreifbar zu sein.
Da Sie sich während Ihres Auftritts nicht einfach aus dem Staub machen können, beginnt nun häufig die unbewusste Suche nach geeigneten Rückzugsmöglichkeiten. Und davon gibt es selbst auf der Bühne so einige! Denken Sie nur an …
- … das Rednerpult. Wie praktisch, dass Ihnen diese wohl klassischste Form des Bühnen-Schutzschildes nicht nur Halt gibt, sondern auch – schwupps – große Teile Ihres Körpers einfach verschwinden lässt.
- … sonstiges Mobiliar, wie Konferenz-, Bistro- und Beamertische oder eben Stühle, mit denen sich prima Mäuerchen bauen lassen.
- ... ein Flipchart: Hand aufs Herz, haben Sie sich schon mal dabei ertappt, wie Sie sich an dem guten Stück festgehalten und versucht haben, zumindest eine Körperhälfte zu vestecken?
- ... das Skript: Oder gehören Sie zu den Rednern, die lieber ab und an hinter ihren Moderationsunterlagen abtauchen?
- ... Ihre Körperhaltung: Auch wenn verschränkte Arme sicherlich nicht automatisch ein Zeichen für distanziertes Verhalten sind – im Fall der Fälle eignen Sie sich wunderbar als schützender Panzer.
Sie verschenken Wirkungspunkte!
Keine Frage, dieses Versteckspiel ist absolut verständlich und sorgt erst mal für ein vermeintlich besseres Bauchgefühl. Das Dumme ist bloß, dass Sie damit nicht nur unsicher wirken, sondern auch ganz automatisch Abstand zu Ihrem Publikum schaffen. Das merken Ihre Zuhörer und ziehen sich ebenfalls zurück – ob bewusst oder unbewusst. Es ist jetzt fast unmöglich, sich mit Ihrem Gegenüber wirklich zu verbinden. Abgesehen davon, dass Sie mit der Versteckerei bei Ihrer Zuhörerschaft möglicherweise auch den Eindruck hinterlassen, dass Sie inhaltlich etwas zu vertuschen haben. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um Vertrauen aufzubauen.
Gezielt gegensteuern …
Gerade in kniffeligen Momenten lohnt es sich also, präsent zu sein und auf einen guten Kontakt zu Ihrem Publikum zu achten. Selbst wenn es noch so verlockend scheint, sich zu verstecken, wagen Sie in diesen „Am-liebsten-würde-ich-mich-jetzt-verkrümeln“-Momenten lieber die Flucht nach vorne: Indem Sie sich Ihrer Zuhörerschaft zeigen – in der Mitte der Bühne, gut geerdet und für jeden sichtbar!
Ihnen fällt es im Augenblick noch schwer, die Blicke auszuhalten? Das ist total normal! Jetzt geht es darum, sich diesen „ungeschützten“ Momenten immer wieder ganz bewusst stellen. So werden Sie sich schon bald an versteckfreie Auftritte gewöhnt haben … und nach und nach Freude daran gewinnen.
Denn eines ist klar: Sobald Sie sich trauen, Ihre Deckung zu verlassen, gelingt es Ihnen deutlich leichter, sich auf Augenhöhe auszutauschen und damit Ihr Publikum wirklich für sich und Ihr Anliegen zu gewinnen.
Gleich weiterschmökern:
Ihre Bühne – in der Mitte liegt die Kraft
Ein guter Vortrag beginnt bei den Füßen
Die simple Sofortentspannung gegen Hektik und Gehirnstürme