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Als ich nach einer Veranstaltung mit Rednerkollegen zusammenstehe, sind wir uns einig: Ganz nach Plan verläuft ein Auftritt nie, egal wie gut man sich vorbereitet hat. Irgendetwas ist immer: Da gibt es nur ein Handmikro anstatt des bestellten Headsets, der Beamer streikt, der Raum ist nicht optimal oder …

Jetzt gilt es, sich möglichst schnell auf die neue Situation einzustellen, um Ihre Zuhörerschaft trotzdem für sich zu gewinnen. Es darf improvisiert werden!

Ralf Schmitt (Improvisationsschauspieler, Speaker) ist einer, der das richtig gut kann. Im Rahmen meines Buchprojektes hatte ich ihn zum Thema „Spontaneität“ interviewt. Hier ein Auszug aus unserem Gespräch:

  • Herr Schmitt, Sie sind ein Profi in Sachen Improvisation. Ist Spontaneität angeboren oder erlernbar?

Spontaneität ist keine Technik, sondern eine Lebensphilosophie. Sie schenkt uns die Sicherheit, auf unseren Bauch zu hören und darauf zu vertrauen, dass wir die jeweilige Situation irgendwie managen werden. Selbst wenn wir vom ursprünglichen Plan abweichen (müssen). Mit einer spontanen Haltung verlieren unerwartete Situationen ihren Schrecken. Sie schafft den Boden dafür, dass wir improvisieren und schlagfertig reagieren können und hilft uns damit, handlungsfähig zu bleiben – komme was mag.

Auch wenn man manchmal glaubt, dass es zwei Kategorien von Menschen gibt, nämlich spontane und weniger spontane: Jeder Mensch kann spontan(er) werden. Und wir alle sind es bereits in ganz alltäglichen Situationen, selbst wenn wir es da nicht immer merken. Denken Sie nur an die gute Idee im Kundengespräch, die sich einfach so aus der Situation ergeben hat, oder an den spontanen Entschluss, die Spaghetti abends mit Gemüsesoße statt mit Bolognese zuzubereiten, weil Sie das Hackfleisch beim Einkaufen vergessen hatten. Gehen Sie mit offenen Augen durch die Welt und machen Sie sich die Momente bewusst, in denen Sie direkt aus dem Augenblick heraus handeln. Sie werden überrascht sein, in wie vielen Situationen Sie sich einfach auf sich selbst verlassen und zu 100 Prozent auf Ihre Fähigkeiten vertrauen.

  • Heißt das gerade auch für Auftrittssituationen, dass wir einfach öfter mal unseren Kopf ausschalten und rein auf den Bauch hören sollen?

Es geht nicht darum, zwischen Kopf oder Bauch bzw. Navigation oder Intuition zu entscheiden. Versuchen Sie es mit einer Mischung aus beiden Komponenten, ich nenne es „Navituition“. Bei Ihren Reden und Präsentationen haben Sie ein Ziel vor Augen, das Sie gerne erreichen möchten. Sie sind der Experte und haben einen genauen Plan, wie Sie von A nach B kommen. Das ist gut so. Halten Sie jedoch nicht starr daran fest, sondern erlauben Sie sich auch auf Ihren Bauch zu hören und den spontanen Weg einzuschlagen, wenn etwas Unerwartetes passiert.

  • Viele Menschen wünschen sich, so richtig spontan und gleichzeitig witzig zu reagieren. Wie bekommt man das hin?

Spontan zu sein heißt nicht, auch noch unglaublich unterhaltsam sein zu müssen. Spontaneität heißt, aus dem Moment heraus zu handeln und nicht alles total zu planen, sondern eben auf die Gegebenheiten reagieren zu können. Sicherlich kennen Sie auch diesen Typ Mensch, der zwar in geselliger Runde einen Witz nach dem anderen auf Lager hat und dennoch weit davon entfernt ist, spontan durch den Alltag zu gehen. Das ist nicht das Ziel! Verabschieden Sie sich so schnell wie möglich von dem Anspruch, lustig sein zu müssen. Es geht ausschließlich darum, in der jeweiligen Situation eine passende Lösung zu finden. Wenn die dann zufälligerweise auch noch amüsant ist und einen Lacher nach sich zieht, ist das ein schöner Nebeneffekt. Mehr nicht.

Spontane Menschen werden übrigens häufig als lustig eingestuft, weil sie Dinge tun, die ihr Gegenüber so nicht erwartet hat. Da nimmt plötzlich die Situation eine unerwartete Wendung, weil sie etwas kombinieren, das auf den ersten Blick eigentlich gar nicht zusammenpasst. Die Erwartungshaltung wird gebrochen und das wirkt dann häufig amüsant. Fazit: Witzige Menschen sind nicht zwangsläufig spontan. Aber wer spontan handelt, kann mitunter sehr witzig sein.

 

Liebe Rednerin, lieber Redner, wenn es Sie also das nächste Mal erwischt, lassen Sie sich auf die Situation ein. Und wer weiß, vielleicht wird durch die gedankliche Richtungsänderung ja eine tolle, neue Idee geboren?!

Sie möchten tiefer in das Thema einsteigen? Dann schauen Sie doch auch mal in das neue Buch von Ralf Schmitt, das vor wenigen Tagen im Gabal-Verlag erschienen ist: 30 Minuten Spontaneität