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Normalerweise starte ich mit einer gesunden Portion Lampenfieber in meine Auftritte – diesem Kribbeln, das einfach dazugehört und für einen extra Energieschub sorgt.

Aber ich kenne durchaus auch die Momente, in denen einem der Allerwerteste auf Grundeis geht. Wie zum Beispiel vor ziemlich genau drei Jahren, als ich für eine Keynote bei einem großen, internationalen Unternehmen gebucht bin und mir meine Ansprechpartnerin eine Woche vor dem gemeinsamen Termin eröffnet: „Ich hatte ganz vergessen, Ihnen zu sagen, dass bei uns alle Vorträge auf Englisch sind. Aber das ist doch für Sie kein Problem?!“ What?! Mein letzter englischsprachiger Auftritt – eine Buchvorstellung im Englischunterricht – liegt zu diesem Zeitpunkt fast 25 Jahre zurück.

Ich überlege und entscheide mich gemeinsam mit der Veranstalterin, die Herausforderung anzunehmen. Nur um kurze Zeit später als Nervenbündel herumzulaufen: „Andrea, du musst total verrückt sein. Du willst einen Vortrag über sprachliche Cleverness halten … beherrschst aber die Sprache doch gar nicht mit all ihren Feinheiten! Die bezahlen dich … kannst du den Ansprüchen in der Fremdsprache überhaupt gerecht werden? Was, wenn du nicht die richtigen Worte findest oder Grammatikfehler passieren?“

 

Wie es weitergeht? Auf die Ohren …

… oder zum Lesen:

Es hat Klick gemacht.

Mein innerer Kritiker ist in Bestform. Tagelang. Bis es mir in meinem „Englisch-Wahn“ irgendwann dämmert: „It’s not about you. It’s about them!“ Mir wird klar, dass sich all meine Worst-Case-Gedanken nur um mich drehen. Um meine Performance, um meine Wirkung und um meine Sorge, nicht gut anzukommen.

Genau diese Fokussierung auf uns selbst ist es, die das Redeleben oft so schwer macht. Nehmen Sie nur mal Ihre eigenen ungesunden Selbstgespräche und „Zerfleischereien“ genauer unter die Lupe! Die meisten hören sich doch in etwa so an:

  • Hoffentlich vergesse ich nicht die Hälfte!
  • Was, wenn ich den roten Faden verliere?
  • Bin ich eloquent genug?
  • Reicht mein Wissen?
  • Habe ich eine clevere Antwort parat, wenn kritische Fragen kommen?
  • Sind die anderen Redner besser als ich? Blamiere ich mich?
  • Entspreche ich den Erwartungen von Chefs, Kunden, Geschäftspartnern oder …?
  • Was passiert, wenn ich diesen Auftritt vermassle?

Ich. Ich. Ich.

Sie wollen, dass das Geschwurbel im Kopf aufhört? Dann hilft es, in Stresssituationen ganz gezielt die Stopp-Taste zu drücken, Ihren Fokus zu verändern und sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. In der Regel sind Ihre Zuhörer nicht da, um SIE zu erleben, sondern weil das THEMA in irgendeiner Weise relevant für sie ist. Es geht also nicht darum, die beste/tollste/genialste Version Ihrer selbst auf die Bühne zu bringen und andere zu beeindrucken; es geht darum, konkreten Nutzen zu stiften.

Richten Sie den Scheinwerfer auf Ihre Zuhörerschaft! Weg von: Wie wirke ich am besten? Hin zu: Was kann ich meinen Zuhörern geben?

Umparken im Kopf

Mit diesen drei Schritten gelingt Ihnen der Perspektivwechsel, den ich Ihnen übrigens nicht nur in Angstmomenten, sondern vor jedem Auftritt empfehle.

1. Die Bestandsaufnahme: Wer genau sitzt Ihnen gegenüber? Welche Probleme/Herausforderungen treiben Ihre Zuhörer um? Was hält sie nachts vom Schlaf ab? Was braucht Ihr Gegenüber? Was ist ihm/ihr wichtig?

Falls Sie sich jetzt fragen, wie Sie am besten an diese Informationen kommen: Einen Musterfragebogen, der Ihnen die Vorbereitung auf Ihren nächsten Vortrag erleichtert, können Sie hier herunterladen. Die Checkliste „Zielgruppe fest im Blick“ hilft Ihnen, Ihr Publikum besser einzuschätzen.

In meinem Beispiel: Die teilnehmenden Fachexperten aus verschiedenen Unternehmensbereichen tun sich schwer, in spontanen, unvorbereiteten Redebeiträgen ihre Botschaften auf den Punkt zu bringen. Sie reden sich um Kopf und Kragen und verlieren immer wieder Ihre Gesprächspartner/Zuhörer.

 

2. Ihr Input: Welche Probleme lösen Sie für Ihre Zuhörer? Und wie? Welche Methoden oder Einblicke helfen Ihrem Publikum, den Alltag leichter zu wuppen?

In meinem Beispiel: Die Teilnehmer lernen drei Strukturen für ad hoc-Beiträge kennen, die ihnen helfen, selbst komplexe Sachverhalte jederzeit klar und verständlich zu kommunizieren.

 

3. Der konkrete Nutzen: Inwiefern verbessert sich dadurch das Leben Ihrer Zuhörer?

In meinem Beispiel: Dank des roten Fadens fühlen sich die Teilnehmer sicherer und treten künftig überzeugender auf. Sie bekommen die Aufmerksamkeit, die sie sich wünschen und werden von ihren Vorgesetzten, Geschäftspartnern und Kollegen ernst genommen. Beste Voraussetzungen also, wenn es um das nächste wichtige Projekt, die Gehaltserhöhung oder die gewünschte Weiterbildung geht.

 

Wunderbar! Wenn Sie bis hierher dabeigeblieben sind, sehen Sie sich selbst und Ihren Vortrag ganz bestimmt aus einer völlig neuen Perspektive. Jetzt liegt der Fokus nicht mehr auf Ihnen und Ihrer Performance. Stattdessen haben Sie die Sache und Ihre Verbindung zum Publikum fest im Blick. Sie wissen genau, was Ihr Gegenüber braucht UND was Sie zu bieten haben. Das nimmt Druck aus der Situation – Sie fühlen sich besser und können entspannter in Ihren Auftritt starten.

Weiteres Plus: Sobald Sie mit einer gewissen Demut (Achtung, ich meine hier nicht Kleinmacherei!) auf die Bühne gehen und Ihr Gegenüber in den Mittelpunkt stellen, sorgen Sie direkt für einen guten Draht zum Publikum. Nun fällt es tatsächlich nicht mehr ins Gewicht, ob sich zwischendurch ein paar Ähms einschleichen, Sie zu schnell über eine Folie klicken, sich verhaspeln oder Ihre Moderationskarten auf den Boden fallen.

In diesem Sinne: Stop performing. Start supporting the audience! Das hat mir bei meinem ersten englischsprachigen Vortrag geholfen, gelassen(er) zu bleiben. Das funktioniert auch bei Ihnen. Garantiert.