© digitalfoto105 fotolia.com

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Liebe Dialektrednerin, lieber Dialektredner,

haben Sie sich schon mal ertappt, dass Sie bei einem Vortrag versucht haben, Ihre bayerischen, pfälzischen, österreichischen oder … Wurzeln zu vertuschen? Dass Sie sich plötzlich total bemüht haben, akzentfreies Hochdeutsch zu sprechen, weil Sie unbedingt einen guten Eindruck hinterlassen wollten? Um dann festzustellen, dass das nicht wirklich klappt. Irgendwie angespannt und krampfig, oder?

„Schwäbisch klingt dumm und unsexy. Ich gewöhne mir das jetzt ab.“
„Mundart gehört nicht in den geschäftlichen Kontext. Das wirkt unprofessionell.“
„Meine Lehrer haben mit schlechten Noten gedroht, wenn ich nicht dialektfrei spreche.“

Solche und ähnliche Aussagen höre ich immer wieder in meinen Workshops. Die einen sind im Laufe ihres Lebens „anti-Dialekt-geimpft“, die anderen sind unsicher. Doch bitte, bitte: Verbiegen Sie sich nicht! Dialekt gehört zu uns, er macht uns aus – und er ist charmant.

Natürlich: Verstehen muss man Sie. Aber solange Sie nicht in „tiefstes Platt“ verfallen, nuscheln oder mit lokalen Spezialbegriffen um sich werfen, dürfte das ja kein Problem sein.

Sprechen Sie ruhig, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist!

  • Dann können Sie sich voll und ganz auf Ihre Botschaft konzentrieren, anstatt Ihr Gehirn damit zu beschäftigen, wie Sie Ihre sprachliche Färbung verstecken.
  • Sie bleiben ganz Sie selbst und kommen so auch rüber – natürlich und lebendig!
  • Es fühlt sich für Sie selbst anders an. Denn was Sie hören und wie Sie sich wahrnehmen, das sind Sie tatsächlich.

Mal ganz davon abgesehen, dass Sie mit Ihrem Dialekt eine Brücke zu Ihrem Gegenüber bauen können. In der eigenen Region schaffen Sie ruckzuck ein Wir-Gefühl, wenn die Zuhörer merken: „Mensch, das ist einer/eine von uns!“. Und außerhalb der heimischen Gefilde macht Ihr Dialekt das Publikum neugierig. Die Leute hören genau hin, um herauszufinden, wo Sie wohl herkommen und freuen sich über ein bisschen sprachliche Abwechslung. Auch im Businessalltag! Ein wunderbares Beispiel dafür ist mein Studienkollege Frank, ein Badener durch und durch, der nach der Ausbildung einen Job bei einer Hamburger Privatbank antrat. Er ist dort aufgefallen wie ein bunter Hund. Getreu dem Motto „Wir können alles, außer Hochdeutsch“ hat er aber selbstbewusst mit seinem Dialekt kokettiert und so die norddeutschen Kollegen im Handumdrehen für sich gewonnen.

Ja, eine sprachliche Färbung ist total sympathisch und kann im besten Fall sogar zu Ihrem Markenzeichen werden. Das glauben Sie nicht? Dann schauen Sie doch mal, wie charmant die Münchner Schreibnudel, Gitte Härter, Schreib- und Zeichentipps gibt. So macht Zuhören Spaß.

Sie sehen: Ein bissle Dialekt ist kein Grund nervös zu werden oder sich gar zu verbiegen. Am besten probieren Sie es direkt bei Ihrem nächsten Auftritt einmal aus und schwätzen, wie Sie auch im Alltag schwätzen. Dabei dürfen Sie ruhig ein wenig Lokalpatriotismus verströmen. :-) Denn ob Sie überzeugend wahrgenommen werden, hängt nicht so sehr von Ihrer Sprache selbst ab, sondern davon, wie Sie mit ihr umgehen.

Auf Wiederlesen,
Ihre Andrea Joost